Das Parlamentchen von Liechtenstein hat gesprochen. Es bleibt bei drei Gerichtsstufen.

Die Liechtensteiner fürstlichen Landgerichte («im Namen von Fürst und Volk», in dieser Reihenfolge) pflegen einen recht rustikalen Umgang mit Recht und Gesetz. Da ist es einigermassen beruhigend, dass man ihre Urteile an zwei weitere Instanzen ziehen kann.

Dann beugt sich das Obergericht nochmals drüber, und der Oberste Gerichtshof, eine Art Bundesgericht, überprüft nochmals, ob bei der Urteilsfindung alles mit rechten Dingen zugegangen ist.

Justizministerin Graziella Marok-Wachter hatte nun den kühnen Plan, diese oberen Instanzen zusammenzulegen. Statt Obergericht und Oberster Gerichtshof, den Verwaltungsgerichtshof nicht vergessen, sollte es nur noch einen einzigen Obersten Gerichtshof geben.

Also Urteil des Landgerichts, Rekurs, Urteil des Obersten Gerichtshofs – Ende Gelände. Das schmetterte das Parlament ab. Einzig der Parlamentarier Thomas Rehak, immerhin Mitglied des Richterwahlgremiums, sah die Sache locker; diese Reduktion wäre für ihn «weniger relevant – was zählt, ist die Qualität der Rechtssprechung».

Das ist eine interessante Aussage von jemandem, der doch eigentlich eine zentrale Rolle bei dieser Qualität spielen sollte. Oder weiss er etwa aus seiner Tätigkeit im Wahlgremium, dass es um die Qualität der Rechtssprechung nicht so toll steht?

Ob das daran liegt, dass es zwar eine Handvoll vollamtlicher Richter gibt, daneben aber auch nebenamtliche, die auch noch zum Beispiel eine Rechtsanwaltspraxis unterhalten und bei ihren eigenen Fällen dann in den Ausstand treten. Was sehr viel Vertrauen gibt, denn ob sich ein Richterkollege wirklich traut, dem nebenamtlich Amtierenden eins über die Rübe zu geben?

Aber immerhin, die Vorlage der Justizministerin beinhaltet auch die Schaffung eines Stiftungs- und Trustgerichts. Das könnte einerseits auf diesem Gebiet dringend benötigte Professionalität bewirken. Auf der anderen Seite wären dann alle von dieser Spezialkammer abhängig, bzw. den hier amtierenden Richtern.

Neuland betritt die Justizministerin mit ihrem Vorschlag, für Richter und Staatsanwälte eine dreijährige Probezeit einzuführen. Also sozusagen ein Amt auf Bewährung. Dazu schreibt das «Vaterland»: «Zahlreiche Abgeordnete äusserten ihre Befürchtung, dass Richterstellen dadurch unattraktiv würden und eine Belastung für die Betroffenen darstellen könnte.»

Eine Richterstelle als Belastung für die Betroffenen? Ob damit die Kläger oder Beklagten gemeint sind? Für die stellt das Richterwesen in Liechtenstein tatsächlich eine Belastung dar. Wenn sie miterleben müssen, mit welcher Turbogeschwindigkeit die Gerichte zu Urteilen kommen, wenn es um Klagen einheimischer Anwälte oder Treuhänder geht. Und wie die gleichen Gerichte in Tiefschlaf und Schneckentempo verfallen, wenn genau gleiche Klagen allerdings von irgendwelchen Ortsfremden eingereicht werden.

Die Justizministerin stand auf verlorenem Posten, obwohl sie argumentierte, dass so Interessenskonflikte vermieden werden könnten, wenn die Zahl nebenamtlicher Richter reduziert würde, die gleichzeitig als Anwalt tätig sind.

Ausserdem sei das Personal in den obersten Instanzen nicht genügend ausgelastet. Das fällt allerdings Klägern (oder Beklagten), die den Instanzenzug machen, keinesfalls auf. Schliesslich, so argumentierte die Justizministerin, hätten bloss zwei Instanzen viele weitere Vorteile. «Schnellere Verfahren, tiefere Kosten für die im Verfahren involvierten Parteien», referiert «Vaterland». Ausserdem, ein putziges Argument, «das Justizsystem muss der Grösse des Landes angemessen sein.»

Das ist interessant. Also je kleiner das Land, desto weniger Instanzen. Für Monaco oder Andorra müsste das dann bedeuten, dass es eigentlich nur noch eine Instanz geben sollte.

Liechtensteins Justizproblem, um das das Parlament und die Justizministerin einen grossen Bogen machten, ist aber ein ganz anderes. Es gibt immer wieder skandalöse Urteile, die beispielsweise die Stifter oder die Begünstigten von Stiftungen krass benachteiligen und sie regelrecht aus ihrer eigenen Stiftung rauskübeln. Diese Urteile werden dann regelmässig von den oberen Instanzen geschützt.

Was auch schon mal, obwohl die oberen Gerichte angeblich nicht ausgelastet seien, Jahre dauern kann.

In diesem Sinn wäre eigentlich noch eine viel radikalere Lösung denkbar. Die würde nun tatsächlich ungeheuerlich Geld sparen, Interessenskonflikte auf einen Schlag lösen und die Prozessdauer bedeutend verkürzen.

Das Prinzip ist bewährt und bekannt, und wenn schon der Slogan des Ländle lautet «Für Gott, Fürst und Vaterland» (in dieser Reihenfolge), dann sollte man das doch auch anwenden. In Form eines Gottesurteils. Um das nicht zu kompliziert zu machen, denn weiss man immer, was Gott will, bietet sich eine bewährte Methode an: das Würfeln.

Geht es um eine Zivilklage, würfeln Kläger und Beklagter. Wer mehr Augen hat, gewinnt. Ist es ein Strafprozess, würfeln Angeklagter und Staatsanwalt. Je nachdem, wer gewinnt, gibt’s Knast oder Freispruch.

19 Kommentare
  1. Florian F.
    Florian F. sagte:

    Entscheidend ist, dass es in Liechtenstein Richter gibt, die nicht neutral sind und die einheimische Treuhänder und deren Machenschaften – aus welchen Gründen auch immer – protegieren.

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  2. Watchdog
    Watchdog sagte:

    Eine neutrale Justiz ist für für einen Finanzplatz von entscheidender Bedeutung. Ohne einen effektiven Schutz der Rechte von Beteiligten und ohne Rechtssicherheit ist Rechtsstaatlichkeit in Liechtenstein nicht gewährleistet.

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  3. Konrad
    Konrad sagte:

    Liechtensteiner Stiftungen und Trusts werden systematisch von untreuen Treuhändern mithilfe bestimmter Richter gekapert und dann geplündert. Das ist allgemein bekannt, Fürstenhaus und Landesregierung schauen zu.

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    • Lichtensteiner Intrigen
      Lichtensteiner Intrigen sagte:

      Durch solche kriminellen Intrigen, die der Führung des Landes bekannt sind, zerstört Liechtenstein seinen Ruf als Finanzplatz.

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    • DAS SYSTEM
      DAS SYSTEM sagte:

      Das System in Liechtenstein, mit welchem durch Untreuhänder mit Unterstützung bestimmter Richter Trusts und Stiftungen gekapert und geplündert worden sind, ist bekannt geworden. Das Land Liechtenstein vertuscht dies, tut sberr nichts dagegen.

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  4. Wahr-Sager
    Wahr-Sager sagte:

    Gerichtsentscheidungen wie die im Bacardi-Skandal wären wohl beim Würfeln gerechter ausgefallen.

    Die Witwe wurde aus der Verwaltung des von ihrem Mann für sie und ihre Tochter gegründeten Trusts abberufen, weil sie gleichzeitig ihre eigenen Interessen und die Interessen ihrer minderjährigen Tochter vertreten hatte. Eine völlig groteske Entscheidung.

    Den Abberufungsantrag hatte der Liechtensteiner Treuhänder gestellt. Nur so ist die Entscheidung verständlich…

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    • Bernhard
      Bernhard sagte:

      Vielleicht sollte mit der völlig absurden Entscheidung der Liechtensteiner Treuhänder des Trusts Bernhard Lorenz um ein paar Millionen reicher gemacht werden. Anders ist so eine Begründung nicht zu verstehen.

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    • Karl
      Karl sagte:

      Entschieden hat den Fall Richter Rosenberger vom Landgericht.
      Der Rekurs gegen die seltsame Entscheidung wurde von Richter Ungerank und seinen beiden Kollegen vom Obergericht abgeschmettert.

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        • Different but same same
          Different but same same sagte:

          Selbst wenn Landrichter Rosenberger versetzt worden ist, der 1. Senat des Obergerichts unter dem Vorsítzenden Ungerank bleibt doch der gleiche…

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      • Urmel aus dem Ei
        Urmel aus dem Ei sagte:

        Was wären schon ein paar Millionen Franken, wenn die Justiz damit den einheimischen Treuhändern einen dreistelligen Millionenbetrag zuschanzen kann…?

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  5. Der Joker
    Der Joker sagte:

    Würfeln würde auch nichts bringen, denn die Ausländer würden Würfel bekommen, auf denen auf allen Seiten eine 1 ist. Und die Einheimischen würden Würfel bekommen, auf denen auf jeder Seite eine 6 ist. So läuft das eben in Liechtenstein…

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    • Probezeit
      Probezeit sagte:

      Eine Justizministerin sollte eine Probezeit erhalten. Wenn sie sich nicht um eine neutrale und unabhängige Justiz kümmert, sollte sie die Probezeit nicht überstehen.

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  6. Qualität der Rechtsprechung
    Qualität der Rechtsprechung sagte:

    Der Parlamentarier Thomas Rehak hat völlig recht, wenn er sagt «was zählt, ist die Qualität der Rechtssprechung». Die Rechtsprechung in Liechtenstein erweist sich nämlich als einseitig und voreingenommen, wenn z.B. die Witwe Bacardi aus der verwaltung des für sie aufgesetzten Trusts abgesetzt wird, weil sie zugleich ihre eigenen Interessen und die Interesen ihrer minderjährigen (!) Tochter vertreten hat. So etwas schreit doch zum Himmel. Oder wenn im Hartlaub-Fall der Familienbegünstigte aus dem Stiftungsrat abberufen wird wegen des «blossen Anscheins einer möglichen Interessenskollision». Völlig grotesk.

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    • Gerichtlicher Unsinn
      Gerichtlicher Unsinn sagte:

      Mit solchen offensichtlich unsinnigen Entscheidungen, die den einheimischen Treuhändern dienen solten, macht sich Liechtenstein sein Image als seriöser Finanzstandort kaputt. Eine zuverlässige Justiz ist eine Voraussetzung für einen seriösen Finanzplatz.

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  7. Problem Enzelrichter
    Problem Enzelrichter sagte:

    Wenn wie in Liechtenstein ein Einzelrichter am Landgericht bei Rechtsstreiten über Trusts und/oder Stiftungen über hohe Millionenbeträge entscheiden kann, dann ist das Risiko einer «Vorteilsannahme» doch vorprogrammiert. Manche Richter werden eben schwach.

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  8. jogi
    jogi sagte:

    Manche Treuhänder haben wohl einen besonders guten Draht zu den Richtern, so erscheint dies
    beim Perry-Fall: Treuhänder Louis Oehri, Dominik Naeff and Dieter Neupert
    beim Bacardi-Fall: Treuhänder Bernhard Lorenz
    beim Hartlaub-Fall: Treuhänder Philipp Wanger und Martin Batliner

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