Liechtenstein will die dritte Instanz abschaffen. Keine gute Idee.

Die Fürstenjustiz im Ländle hat so ihre Besonderheiten, um nicht zu sagen Sonderlichkeiten. Sie unterscheidet streng zwischen Einheimischen und artfremden Ausländern. Sie ist mit teilweise zweifelhaften und nicht sehr kompetenten Richtern besetzt, von denen alle aber das Plazet von ganz oben brauchen.

Nein, nicht von Gott, aber fast: vom Fürsten.

Bislang hat Liechtenstein, wie eigentlich alle zivilisierten Staaten, im Justizsystem drei Instanzen. Das Fürstliche Landgericht, dann das Fürstliche Obergericht und schliesslich der Fürstliche Oberste Gerichtshof. Dabei ist die Arbeitsteilung wie zum Beispiel in der Schweiz klar.

Das Landgericht ist mehr so das Heim von Dorfrichter Adam aus dem «Zerbrochenen Krug» von Kleist. Hier wird recht rustikal Recht gesprochen. Ziemlich schnell, wenn es um die Anliegen von Liechtensteinern geht. Eher gemächlich, wenn ein Usländer, ein Ausländer, ein Anliegen hat.

Das Obergericht prüft diese Entscheide und bringt manchmal, nicht immer, notwenige Korrekturen an. Oder aber, es weist den Fall nochmals an Landgericht zurück, worauf dann das Leiterspielchen von vorne beginnt.

Und schliesslich der Oberste Gerichtshof, so etwas wie das Bundesgericht in der Schweiz. Er geht nicht mehr materiell auf die Urteile der unteren Instanzen ein, sondern prüft alleine, ob allen gesetzlichen Vorschriften Genüge getan wurde. Dazu braucht er doch geballten juristischen Sachverstand, was in Liechtenstein durchaus segensreich sein kann.

Nun plant aber die Regierung, dieses dreistufige System zu köpfen. Das bedeutet, die oberste Instanz ersatzlos zu streichen. Womit Gerichtsverfahren nur mehr über zwei Instanzen laufen würden. Ein solches Prinzip kennt in Europa bislang nur Malta. Und Malta ist nicht gerade ein leuchtender Rechtsstaat.

Das sieht auch Anwalt Gerhard Lorenz im «Vaterland» genauso. Er übt schwere Kritik an diesem Vorhaben. Er sagt in einem Interview einige bedenkenswerte Dinge:

«Die Reputation, die die liechtensteinische Justiz im In- und im Ausland geniesst, hängt sehr stark mit dem Obersten Gerichtshof zusammen.»

Für ihn hat er eine imminent wichtige Rolle, die er so erklärt: «Da muss man sich nur einmal die Schriftsätze der Rechtsanwälte anschauen. Sie mäandern oft dahin und befassen sich mit einer Vielzahl von Fragen – und zwar im Beweis-, Verfahrens- und Rechtsbereich. Darum brauchen wir zwingend eine dritte Instanz: Sie prüft nur noch die Rechtslage und hat primär die Funktion, zu prüfen, ob das materielle Recht richtig angewendet wurde.»

Sollte das wegfallen befürchtet er, dass «es auf jeden Fall zu einer Schwächung des Justizsystems kommen» werde.

Die Kernaussage des Liechtensteiner Rechtsanwalts:

«Das Kapital aus dem Ausland wird auf liechtensteinischen Konten angelegt oder landet in Rechtsstrukturen beziehungsweise Versicherungspolicen. Im Gegenzug dafür erwarten die ausländischen Kunden und Investoren eine Justiz, die eine hohe Qualität bietet und dem europäischen Standard entspricht.»

Und was befürchtet er, wenn dieser Vorschlag der Regierung vom Landtag angenommen wird:

«Die Folgen werden zwar nicht sofort spürbar sein – aber sie werden wie ein schleichendes Gift wirken.»

Das ist wohlgemerkt nicht einer der vielen ausländischen Investoren in Stiftungen und andere Gefässe, die mit der Liechtensteiner Justiz zum zweiten Mal schlechte Erfahrungen machten, nachdem sie von einem Untreuhänder aufs Kreuz gelegt worden waren.

Sondern das ist die pointierte Fachmeinung eines Anwalts, der es auch nicht scheut, sich damit bei seinen Kollegen im sehr überschaubaren Ländle unbeliebt zu machen. Denn so eine nebenamtliche Richerstelle ist für viele Rechtsanwälte und Treuhänder eine schöne zusätzliche Einnahmequelle, wenn ihr eigentliches Business mangels Erfolg oder Fähigkeit nicht so rund läuft.

Daher würden sie auch nie öffentlich eine Kritik am fürstlichen Justizsystem wagen, geschweige denn am weisen Ratschluss der Landesregierung.

Aber es ist sonnenklar: die Abschaffung der dritten Instanz, ganz im Gegensatz zu den Gepflogenheiten aller zivilisierten europäischen Länder, würde ausländische Geldanleger zusätzlich verunsichern. Denn viele von ihnen haben die Erfahrung gemacht, dass es in Liechtenstein gar nicht genug Instanzen geben kann …

14 Kommentare
  1. georg
    georg sagte:

    Sollte Liechtenstein den Obersten Gerichtshof als drite Instanz aufheben, dann würde genau das Gegenteil der Forderung der Greco, der Staatengruppe des Europarates gegen Korruption, eintreten. Dann würde einer möglichen Korruption durch lediglich zwei Instanzen, also Landgericht und Obergericht, bei denen stets dieselben Richter entscheiden, ein erheblicher Vorschub geleistet werden. Der Schuss würde also massiv nach hinten losgehen.

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    • Idee Fix
      Idee Fix sagte:

      Würde der Oberste Gerichtshof abgeschafft werden, Würden dann nicht die Entscheidungen des Obergericht teurer werden…?

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  2. Justiz im FL
    Justiz im FL sagte:

    Es hat schon jetzt mehr als genügend Gerichtsentscheidungen des Landgerichts, die vom Obergericht bestätigt worden sind, die grotesk sind, so z.B.

    * im Bacardi Skandal die Abberufung der Witwe Bacardi aus der Verwaltung des für sie gegründeten Trusts, weil sie einen Interessenskonflikt hätte, da sie zugleich ihre eigenen Interessen und die Interessen ihrer minderjährigen Tochter vertreten hat (!).

    * im Hartlaub Skandal die Abberufung eines Familienbegünstigten aus dem Stiftungsrat, weil der Stiftungsrat eine Klage auf Auskunft gegen einen anderen Begünstigten eingereicht hate, was dieser mit über EUR 400’000 von diesem in bar von den Konten der Stiftung abgehobenen Geldern getan hatte, ob er diese auch für Stiftungszwecke verwendet hätte. Das Landgericht und das Obergericht ahndeten dies als den «blossen Anschein einer möglichen Interessenskollision» (!) des Familiengebünstigten und beriefen ihn deswegen aus dem Stiftungsrat ab.

    Das sind nur zwei der grotesken Gerichtsentscheidungen, die kürzlich ans Tageslicht gekommen sind.

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    • Urs
      Urs sagte:

      Bei Bacardi hatte Bernhard Lorenz der Kanzlei Lorenz Nesensohn Rabanser den Abberufungsantrag gestellt, dem von Richter Rosenberger stattgegeben wurde.

      Bei Hartlaub hatte Wolfgang Rabanser der Kanzlei Lorenz Nesensohn Rabanser den Abberufungsantrag gestellt, dem von Richter Rosenberger stattgegeben wurde.

      Und beide Entscheidungen bestätigt In zweiter Instanz vom Obergericht, 1.Senat unter dem Vorsitzenden Dr. Ungerank.

      Ein Schelm, der Böses dabei denkt…

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  3. Gegenvorschlag
    Gegenvorschlag sagte:

    Wenn die Justiz in Liechtenstein sowieso nicht neutral ist, dann genügt doch auch eine einzige Instanz. Das spart Zeit und Geld,

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  4. Allein durch eine Justizreform wird aus Liechtenstein noch kein Rechtsstaat
    Allein durch eine Justizreform wird aus Liechtenstein noch kein Rechtsstaat sagte:

    Allein durch eine Justizreform wird aus Liechtenstein noch kein Rechtsstaat. Wichtiger als die Anzahl der Instanzen ist doch der tatsächliche Wille eines Richters, unparteiisch nach Recht und Gesetz zu entscheiden. Und daran gab es in letzter Zeit erhebliche und begründete Zweifel.

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  5. geraldo us zh
    geraldo us zh sagte:

    Lustig, da macht sich ein Liechtensteiner Rechtsanwalt Sorgen um die Reputation der Justiz in Liechtenstein. Könnte Die denn noch schlechter werden?

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  6. Isch glich
    Isch glich sagte:

    Ob ein Ausländer von einer, zwei, drei oder vier Instanzen schlechter behandelt wird als ein Liechtensteiner, ist ihm wohl egal.

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  7. R.O.B.
    R.O.B. sagte:

    Die Kombination aus zu vielen untreuen Treuhändern und einer nicht neutralen Justiz ist das Gift, welches den Finanzplatz Liechtenstein zerstört.

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