Machen wir einen kurzen Ausflug in die Geschichte, rund 6 Jahre zurück.

2018 titelte die Frankfurter Allgemeine: «Wenn der Treuhänder in die Kasse greift». Und fährt im Lead fort:

«Seit Jahren erschüttern Betrugsskandale den Finanzplatz Liechtenstein. Treuhänder betrügen ihre Kunden um Millionen. Doch während die Finanzaufsicht schärfere Kontrollen fordert, wiegelt die Regierung ab.»

Besonders herausragend war damals der Fall Harry G. Ein Liechtensteiner Rechtsanwalt und Treuhänder, der  2017 wegen Untreue, schweren Betrugs und Geldwäsche zu sechs Jahren Haft verurteilt worden war. Damit ist er übrigens schon länger wieder auf freiem Fuss.

Besonders peinlich war an diesem Fall, dass Harry G. nicht einfach nur ein Treuhänder war, der in die Kasse gegriffen hatte. Sondern er war auch während vieler Jahre Präsident des Liechtensteiner Verwaltungsgerichts und des Staatsgerichtshofs. Er war der Chef der Prüfungskommission für Treuhänder und hatte 2004 vom Fürstenhaus den Ehrentitel «Fürstlicher Justizrat» bekommen.

In einem ersten Prozess wurde er wegen der Veruntreuung von 13 Millionen Franken verurteilt, allerdings wurde dann noch ein zweiter nachgeschoben, bei dem es um knapp 30 Millionen ging.

Und was sagte der damalige Regierungschef und Finanzminister Adrian Hasler? Kenner Liechtensteins müssen nicht dreimal raten: «Einzelfall», schwarzes Schaf, gegen solche kriminelle Energie sei die beste Aufsicht machtlos.

Aber gleich darauf kam Mario S. Der hatte schon mal für Furore gesorgt; die USA hatten ihn und seinen Kompagnon, den Whistleblower Bradley Birkenfeld, wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung angezeigt. Während Birkenfeld in den Knast musste, konnte S. fröhlich weiter geschäften mit seiner Treuhandgesellschaft New Haven. Er durfte einfach den sicheren Hafen Liechtenstein nicht verlassen. Aber das missbrauchte S. dafür, rund 20 Millionen zu veruntreuen und sich damit ein Leben in Saus und Braus zu gönnen.

Und was sagte der damalige Regierungschef dann dazu, vor allem auch zu der Forderung, das Treiben der Treuhänder endlich genauer zu kontrollieren und zu beaufsichtigen?

„Wenn es Schwachstellen in der Aufsicht der Treuhandbranche gibt, sollten wir zielgerichtet vorgehen und nicht mit Kanonen auf Spatzen schießen.“

Ins gleiche Horn stiess auch der Geschäftsführer der Liechtensteiner Treuhandkammer, die Weltmeister im Abwiegeln und Abstreiten ist: „Das sind bedauerliche Einzelfälle, die nicht hätten passieren dürfen.»

Sie hätten nicht passieren dürfen, aber sie passierten. Solche und ähnliche Fälle passieren immer wieder, bis heute. Alleine die üble Methode des Dekantierens wird fleissig zur Anwendung gebracht. Darunter versteht man, das der Treuhänder im Stiftungsrat den finanziellen Inhalt einer Stiftung in ein neues, nur ihm zugängliches Finanzgefäss umgiesst. Erkundigt sich der Stifter und eigentliche Besitzer nach dem Verbleib seines Vermögens, wird ihm kühl beschieden, dass leider das Anwaltsgeheimnis den Treuhänder daran hindere, Auskunft zu erteilen.

Auch das sind natürlich nach der Meinung von Regierung und Treuhandkammer bedauerliche Einzelfälle. Es sind auch Einzelfälle, dass Stifter oder Begünstigte mit umzimperlichen Methoden aus ihrer eigenen Stiftung gekübelt werden, worauf sich dann die übrig gebliebenen Treuhänder mit exorbitanten Honorarrechnungen gütlich halten.

Alles nur Einzelfälle, Einzelfälle, Einzelfälle.

Es ist eigentlich erstaunlich dass es niemandem langweilig wird, die gleiche Schallplatte immer und immer wieder zu spielen. Genügend Gelegenheit gibt es dafür, denn die Einzelfälle wiederholen sich noch und nöcher.

Natürlich ist jeder einzelne Fall ein Einzelfall, das ist schon richtig. Aber wenn ein Einzelfall dem nächsten auf die Füsse tritt, ist es dann immer noch ein Einzelfall nach dem anderen? Oder könnte man nicht die Vermutung hegen, dass es sich nicht um Einzelfälle, sondern um ein systemisches Problem handelt?

Könnte man nicht wie der angesehene Liechtensteiner Anwalt und Grosstreuhänder Johannes Gasser beklagen, dass die fürstlichen Gerichte die Position der Treuhänder gegenüber Stiftern und Begünstigten weiter stärken, anstatt wenigstens Waffengleichheit herzustellen?

Das alles könnte man, aber damit würde man sich den Zorn der Treuhandkammer und der fürstlichen Regierung zuziehen, die darauf bestehen, dass es sich hier wirklich um Einzelfälle handle.

 

11 Kommentare
  1. Gebrüder Grimm: Das Märchen vom „Einzelfall“
    Gebrüder Grimm: Das Märchen vom „Einzelfall“ sagte:

    Seit über sechs Jahren immer und immer wieder diese reihenweisen „bedauerlichen Einzelfälle“. Für wie dumm soll die Öffentlichkeit eigentlich verkauft werden? Das sieht doch ein Blinder, dass das keine Einzelfälle sind, sondern ein routiniertes, perfekt eingespieltes und geschmiertes System von Treuhändern und der Justiz im FL.

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  2. Konradino
    Konradino sagte:

    „Niemand hat die Absicht eine Mauer zu bauen“
    Walter Ulbricht, Staatsratsvorsitzender der DDR, 1961

    „Das sind bedauerliche Einzelfälle“
    Ivo Elkuch, ehem. Geschäftsführer der Liechtensteiner Treuhandkammer, 2018

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  3. Einzelfall? 😂😂😂
    Einzelfall? 😂😂😂 sagte:

    Volkswagen hat anfangs auch beteuert, die Manipulation von Abgaswerten sei ein isolierter Einzelfall gewesen. Wie sich herausgestellt hat, waren schlussendlich 11 Millionen Fahrzeuge betroffen.

    In Liechtenstein sind es ebenfalls keine Einzelfälle, wie dies beteuert wird, sondern ist es ein schematisches, systematisches kollusives Vorgehen, das bisher einfach sehr geschickt vertuscht worden ist. Jeder weiss es, alle schweigen, denn alle profitieren.

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  4. Albert Einstein zu den unzähligen Einzelfällen
    Albert Einstein zu den unzähligen Einzelfällen sagte:

    „Die reinste Form des Wahnsinns ist es, alles beim Alten zu belassen und zu hoffen, dass sich etwas ändert“
    Albert Einstein

    Oder aber Fürst und Landesregierung wollen nichts ändern und wollen alles so belassen wie es ist, also bei den unzähligen Einzelfällen.

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  5. Adrian
    Adrian sagte:

    „Wenn es Schwachstellen in der Aufsicht der Treuhandbranche gibt, sollten wir zielgerichtet vorgehen und nicht mit Kanonen auf Spatzen schiessen“ erklärte der damalige Regierungschef Adrian Hasler in der FAZ.

    Zielgerichtet. Aber nicht mit Kanonen schiessen, sondern vielleicht zielgerichtet mit Wattebauschen bewerfen. Und bitte nicht so fest werfen, denn immerhin haben doch alle etwas davon, denn das Geld bleibt ja im Land und wird dort unter das Volk gebracht. Entschlossenes Vorgehen sieht anders aus.

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  6. Pinocchio 🤥
    Pinocchio 🤥 sagte:

    Die aktuell grössten, aber sicher nicht einzigen Skandale um Bacardi (Treuhänder Bernhard Lorenz) und Hartlaub-Stiftung (Treuhänder Philipp Wanger und Martin Batliner) sprechen eine sehr deutliche Sprache. Na klar, alles Einzelfälle…

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  7. F. Wagner
    F. Wagner sagte:

    Rein zufällig bin ich auf diese Seite gestoßen. Sie sprechen mir aus der Seele, denn wir haben mit der von unserem Großvater gegründeten Stiftung ebenfalls grauenhafte Erfahrungen gemacht. Kaum war er verstorben, wurden wir Familienmitglieder, für die er die Stiftung gegründet hatte, von den Treuhändern von Allem ferngehalten und schikaniert. Auch unser Rechtsanwalt hat uns erklärt, dies sei ein Ausnahmefall. Aber anscheinend ist dies gar keine Ausnahme, sondern eine Masche in Liechtenstein.

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  8. Jörg S.
    Jörg S. sagte:

    Hat sich in sechs Jahren nichts geändert, kann man davon ausgehen, dass Änderungen weder gewünscht noch beabsichtigt sind und daher alles so bleiben sollte wie es war. Das Augenmerk liegt wohl nicht auf Veränderung, sondern auf Vertuschung.

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  9. Banker
    Banker sagte:

    Der frühere Regierungschef Hasler hat recht, man sollte nicht mit Kanonen auf Spatzen schiessen. Man sollte mit Kanonen auf untreue Treuhänder schiessen. Die aber werden vom System offenbar bis zum Überschreiten einer Bagatellgrenze / Nichtaufgriffsgrenze von gefühlt 20 Millionen Franken geschützt. Darüber wird es selbst für die Liechtensteinische Gerichtsbarkeit schwierig, diese noch zu schützen. Darunter dürfen sie sich scheinbar ungehindert austoben, wie sie wollen.

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  10. Bernie-us-ZH
    Bernie-us-ZH sagte:

    Es ist doch völlig klar, dass sich in den letzten sechs Jahren nichts geändert hat und sich auch in Zukunft nicht ändern wird. Einfach weil keine Änderungen gewünscht sind. Gewünscht wird Vertuschung.

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  11. Chef
    Chef sagte:

    Es scheint, dass man im Ländle wirklich glaubt, dass niemald mitbekommt, dass ein Skandal nach dem anderen passiert, weil es ja nicht in der einzigen Zeitung des Landes «Vaterland» steht.

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