Kenner mögen fragen: worin besteht der Unterschied?

Sicherlich zwischen Schein und Sein. Denn der Schein scheint wunderprächtig über die sanften Hügel Liechtensteins. Hier ein sonderliches kleines Völkchen, das sich in der Mitte Europas seine Unabhängigkeit bewahrt hat. Und seine spezielle Regierungsform einer konstitutionellen Erbmonarchie auf demokratisch-parlamentarischer Grundlage.

Bloss knapp 40’000 Liechtensteiner gibt es auf dieser Welt. Die lavierten sich geschickt durch die Geschichte, lehnten eine Zeitlang Richtung Österreich, aber als es nach dem Ersten Weltkrieg mit dem Kaiserreich bergab ging, wechselte man an die Seite der stabileren Schweiz. Zollvertrag, der Schweizerfranken als Landeswährung. Keine eigene Armee, sparsam. Und clever.

41 Prozent des BIP stammt aus der Industrie und  dem warenproduzierenden Gewerbe, Weltspitze.

Aber bei näherer Betrachtung ist das Sein dann nicht so schön und prickelnd. Denn während in England und anderswo die Monarchen mehr dekorativen Wert haben, herrscht in Liechtenstein der Fürscht noch wirklich. Und ruft seine Untertanen immer wieder zur Ordnung, wenn die das mit der Demokratie zu ernst nehmen. Schliesslich hat er sich in allem das letzte Wort ausbedungen, und das meint er auch so.

Er kann den Landtag auflösen, wenn er ihm nicht passt. er kann ihn auch einfach zusperren und vertagen. Er vereidigt die Parlamentarier, was er auch unterlassen kann. Der Landtag schlägt zwar die Regierung vor, aber der Fürst ernennt sie. Und schliesslich kann er vom Parlament oder vom Volk beschlossene Gesetze schlichtweg widerrufen.

Das gilt, sicher ist sicher, auch für die Justiz. Ein paritätisches Gremium, das zur Hälfte aus Vertretern des Fürsten besteht, schlägt dem Landtag Richter zur Wahl vor. Hat der Fürst nicht schon vorher von seinem Vetorecht Gebrauch gemacht, kann er sie schlichtweg nicht ernennen.

Und überhaupt, wozu gibt es dann noch Artikel 10 der Liechtensteiner Verfassung: das Notrecht des Fürsten. Das ist dann alles ein wenig aus der Zeit gefallen, so wie das Frauenstimmrecht. Das wurde im Ländle 1984 eingeführt. Negativrekord, Liechtenstein war das letzte Land Europas, in dem das geschah. Denn schliesslich gab es in der langen Ahnenreihe des Fürstengeschlechts noch nie eine Fürstin, wo kämen wir da hin.

Da der Fürst seit Längerem unpässlich ist, regiert, herrscht seit 2004 der Erbprinz Alois (von und zu Liechtenstein). Oder vornehmer ausgedrückt, er widmet sich der Führung der Staatsgeschäfte. Denn es kann immer nur einen Fürsten geben, diesen Titel nimmt erst der Tod, was den Fürsten sogar vom Papst unterscheidet.

Diese Machtballung ohne demokratische Kontrolle ist wohl die Ursache dafür, dass es in Liechtenstein im Finanzwesen eher wie im hölzernen Himmel als in einem Rechtsstaat zugeht. Nicht nur, dass hier für so ein kleines Land eine beeindruckende Menge von krimineller Energie existiert. Sondern wer nicht zwischen meins und deins unterscheiden kann, beispielsweise, wenn ein Treuhänder untreu wird, kann meistens mit wohlwollender Behandlung durch die fürstlichen Justizorgane zählen.

Schliesslich gehört dem Fürsten neben ein paar Milliarden und einer beeindruckenden Kunstsammlung auch noch die bedeutendste Bank im Ländle. Ein stetig sprudelnder Quell fürstlichen Einkommens. Wie das genau geschaffen wird, nun ja, Seine Durchlaucht kann sich nun wirklich nicht um alles selber kümmern, nicht wahr.

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