Was in der Schweiz ein Justizskandal ist, wäre in Liechtenstein normal.
Die Kommentatoren überschlagen sich. Selten ist ein Staatsanwalt so abgewatscht worden wie der beim Prozess gegen den gefallenen Raiffeisenstar Pierin Vincenz. Nach längerem Brüten verfasste der Wirtschaftsstaatsanwalt mit dem länglichen Namen Marc Jean-Richard-dit-Bressel eine nicht minder längliche Anklageschrift von 356 Seiten.
Die führte zu einer Monsterurteilsbegründung von 1200 Seiten und langen Gefängnisstrafen für die beiden Hauptbeschuldigten Pierin Vincenz und Beat Stocker. Aber seit einem 38-seitigen Schreiben des Zürcher Obergerichts ist alles anders. Das zerfetzte die Anklageschrift in der Luft, erklärte das Urteil des Bezirksgerichts für nichtig und befahl dem Staatsanwalt, nochmal bei null anzufangen. Höchststrafe, setzen, von vorne.
Gestritten wird nun darum, ob damit die Verjährung gestoppt bleibt oder nicht. Denn ein erstinstanzliches Urteil unterbricht sie. Damit soll verhindert werden, dass sich ein Angeklagter mit einem ewigen Instanzenzug in die Verjährung seiner Delikte rettet. Dass sie vorher läuft, soll die Staatsanwaltschaft zu einem speditiven Verhalten anspornen. Wie ist es dann aber, wenn ein Urteil nicht einfach aufgehoben, sondern für nichtig erklärt wird, also gar nicht existiert?
Gute Frage. darüber – und über die anderen Aspekte – diskutiert gerade die halbe Schweiz. Nicht ohne Häme auf den Vollversager von Staatsanwalt zu giessen.
In Liechtenstein kann so etwas nicht passieren. Dort ist es völlig üblich, dass Prozesse sich über viele Jahre hinziehen. Die Gerichte lassen sich in aller Gemütsruhe so viel Zeit wie nur irgend möglich. Eine Petitesse wie ein Abberufungsantrag gegen ungetreue Treuhänder einer Stiftung? In jeder normalen rechtsstaatlichen Umgebung würde so etwas innerhalb von Wochen, höchstens von wenigen Monaten abgeurteilt.
Um dann im Instanzenzug ebenfalls schnell abgeräumt zu werden, damit dann ein rechtsgültiges Urteil vorliegt. Vor allem auch, wenn während der ganzen Prozesszeit Gefahr im Verzug ist, da die beiden Treuhänder ungeniert und unkontrolliert schalten und walten können, wie sie wollen, Sich dafür auch noch seit Jahr und Tag ein üppiges Gehalt von bis zu 75’000 Franken gönnen. pro Nase und Monat, versteht sich.
Daher haben sie null Interesse daran, dass es bald einmal zu einem Urteil käme. Also verschieben sie fröhlich Prozessdaten mit absurden Begründungen. Findet dennoch mal ein Gerichtstag statt, füllen sie den mit genauso absurden Befragungen. Zusätzlich bombardieren sie Gericht und Gegenpartei am liebsten am Spätnachmittag des Vortags mit vielseitigen Eingaben mit dem Vermerkt «Dringend». In diesen Eingaben wird zwar Altbekanntes aufgewärmt und wiederholt, aber dennoch so getan, als seien hier gerade brandheisse neue Erkenntnisse aufgetaucht.
Jedes normale Gericht würde diesem Unfug einen Riegel schieben. Aber doch nicht in Liechtenstein. Schliesslich mottet dieser Prozess in der ersten Instanz erst seit zwei Jahren vor sich hin. Ein rechtsgültiges Urteil wird es sowieso nicht geben, weil eine der beiden Parteien auf jeden Fall Rekurs einlegen wird.
Schnell, sehr schnell ist die Justiz nur, wenn es ein Urteil gegen einen Kläger oder Beklagten zu fällen gilt. Ist der Ausländer und liegt im Clinch mit Liechtensteiner Treuhändern, ist der von vornherein im Nachteil.
Nun gibt es, wie der Zürcher Fall beweist, in jedem Justizsystem Ausreisser, besondere Umstände, einmalige Ausrutscher.
Nur: in Liechtenstein ist dieses Vorgehen systemisch. Die Regel, nicht die Ausnahme.
Eine absonderliche Unrechtssprechung, gegen die die zustände im «Zerbrochenen Krug» von Kleist geradezu mustergültig rechtsstaatlich wirken.
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