Wenn der Anschein trügt. Wie ein gerichtlich begleiteter Raubzug stattfindet und eine Stiftung ausgenommen wird.
«Ich schlage Ihnen den Schädel ein!» Zu solch groben Worten griff der Liechtensteiner Rechtsanwalt Friedrich K.* Er war von einem Stiftungsrat damit konfrontiert worden, dass er sich in einem schweren Interessenskonflikt befände.
Aber von Anfang an. 1988 wurde in Liechtenstein eine Stiftung errichtet, mit der ein Bauunternehmer die Zukunft seiner Immobiliensammlung organisieren wollte. Das Ländle war jahrzehntelang ein Hort von Trusts und Stiftungen. Damit verdienten sich die wenigen Treuhänder und Anwälte dumm und krumm. Mit wenig Aufwand liess sich ein neues Konstrukt errichten, dafür waren ein paar tausend Franken fällig. Im Stiftungsrat muss jeweils mindestens ein Liechtensteiner Anwalt sitzen, dafür kassiert er im Schlaf nochmals ein paar tausend Franken. Pro Jahr.
Aber seit dem Steuerstreit mit den USA und mit Deutschland hat die Zahl der Stiftungen gewaltig nachgelassen. Die gleiche Anzahl von Rechtsvertretern muss nun aus viel weniger Töpfen ihre Geldgier befriedigen. Daher hat eine neue Mode Einzug gehalten, die ab und an sogar einen fürstlichen Geheimrat oder andere Würdenträger sogar in den Knast bringt.
Nämlich das sogenannte Kapern, Ausplündern und Dekantieren. Die Methode ist so kriminell wie gewinnbringend. Eine Stiftung hat immer einen (oder mehrere) Nutzniesser. Verwaltet wird sie von einem Stiftungsrat. Wenn der mit seinen Grundgebühren nicht einverstanden ist, kann er einiges machen, um seine Einkünfte zu verbessern.
Er kann sich selbstherrlich ein Beratungshonorar zuschanzen. «Vertiefte Überprüfung der Statuten, diverse Besprechungen», das alles zu einem Stundensatz von 600 Franken. Die nötige Sekretaärin schlägt mit 300 Franken zu Buche, wenn sich zwei Stiftungsräte austauschen, kostet das schnell mal 1800 Franken die Stunde, und Stunden vergehen bekanntlich wie im Fluge.
Früher war es dann einfach, den Nutzniesser und eigentlichen Besitzer der Stiftung ruhig zu stellen, sollte der protestieren. Denn häufig handelte es sich um Schwarzgeld, also um am Steuersitz nicht angegebene Besitztümer. Da wirkte der Hinweis darauf, dass der Stiftungsrat in Wahrnehmung seiner Verpflichtungen mal eine Meldung wegen des Verdachts auf Geldwäscherei machen könnte, Wunder. Da war dann Ruhe.
Die nächste Stufe der Bereicherung ist aber rabiater – und vollständiger. Das ist die Dekantierung. Hier wird nicht Wein belüftet, sondern die Stiftung mit Luft gefüllt. Wenn sich der Stifter nach dem Zustand des Stiftungsvermögens erkundigt oder einen Bezug machen will, bekommt er mitgeteilt: «Moment, ich schaue gerade ins Konto. Hoppla, da ist ja gar nichts drauf.» Verlangt der Stifter, der sich sicher ist, dass er darauf eine Million, zehn oder noch mehr einzahlte, Rechenschaft über den Verbleib, bekommt er kühl mitgeteilt: «Leider hindert mich das Anwaltsgeheimnis daran, darüber Auskunft zu erteilen. Aber wenn Ihnen das nicht passt, verweise ich Sie auf den Rechtsweg.»
Der Liechtensteiner Rechtssweg beginnt mit einer Anzeige bei der Staatsanwaltschaft. Die nimmt dann gerne einen Textbaustein zu Hilfe: «Ohne genügenden Anfangsverdacht können wir keine Strafuntersuchung einleiten.» Damit ist der Inhalt der Stiftung erfolgreich – und folgenlos – dekantiert.
Etwas komplizierter wird es, wenn der Begünstigte selbst im Stiftungsrat sitzt. Das verhindert nun sowohl das Kapern wie das Ausplündern und erst Recht das Dekantieren. Also muss der weg.
Genau das passierte Franz. L.* mit seiner Immobilienstiftung. Seit 1993 kümmerte er sich als Generalbevollmächtigter um die Pflege und Verwaltung eines ansehnlichen Immobilienbesitzes in Deutschland, der im Besitz der Stiftung ist. Seit 2004 sitzt L. auch im Stiftungsrat.
Im Januar 2021 wurde L.* mit einem Antrag beim Fürstlichen Landgericht in Vaduz überrascht, mit dem Anwalt Friedrich K. («schlage Ihnen den Schädel ein») die Abberufung von L.* als Stiftungsrat forderte. Begründung: Pflichtverletzung und Interessenskonflikt.
Im Verlauf der Verhandlung machte Stiftungsrat L. den Anwalt darauf aufmerksam, dass er selbst sich in einem Interessenskonflikt befände, denn K. hatte zuvor die Stiftung selbst rechtlich beraten und Dienstleistungen erbracht. Was mit einer Klage gegen ein Organ der Stiftung eigentlich nicht vereinbar wäre. Aber die Anwaltskammer Liechtensteins sah darin keinen Anlass, aktiv zu werden.
Zur grossen Verblüffung von L. gab schon zwei Monate später das fürstliche Gericht dem Antrag statt. Pflichtverletzung nein, Interessenskonflikt ja. Also genauer gesagt habe sich L. nicht eines eigentlichen Interessenskonflikts schuldig gemacht, aber eben nicht den «Anschein» eines solchen vermieden. Versteht keiner? Ist auch nicht zu verstehen, ist halt fürstliche Justiz.
Mit dieser an den Haaren herbeigezogenen Begründung war L. nun also abgesägt; an seiner Stelle wurde ein Liechtensteiner Rechtsanwalt als Stiftungsrat bestimmt. Der holte sich dann schnell noch einen Kollegen an Bord, und das Ausplündern begann. Seit Einleitung des Abberufungsverfahrens bis heute wurden aus der Stiftung happige 2 Millionen Franken an «Anwaltshonoraren» herausgemolken.
Denn die rechtliche Tragödie ging weiter bis zur Farce. Ende Sepetmber 2021 bestätigte das Fürstliche Obergericht den erstinstanzlichen Beschluss. Auch der Liechtensteinische Staatsgerichtshof, sozusagen das Bundesgericht Liechtensteins, sah keinen Anlass, dieses absurde Verdikt zu kippen. In einer geheimen Sitzung bekräftigte er es am 28. Juni 2022.
Worin bestünde nun dieser «Interessenskonflikt» des Nutzniessers und Stiftungsrats L.? er hatte von einem weiteren für die Stiftung tätigen Anwalt Rechnungslegung über dessen Barentnahmen in der Höhe von immerhin 420’000 Franken verlangt. Und jetzt kommt die abenteuerliche Konstruktion des Anwalts K.: Hätte dieser Betrag zurückbezahlt werden müssen, wäre damit der Stiftung ein Profit entstanden, womit sich der Stiftungsrat bereichert hätte, was mit seiner Funktion als Stiftungsrat nicht vereinbar wäre. Dass es sich lediglich um die Aufforderung zur Rechnungslegung, nicht zur Rückzahlung handelte, dass die Stiftung keinesfalls bereichert worden wäre durch eine Rückzahlung, sondern eine Entreicherung geheilt: was soll’s.
Das ist eine abenteuerliche und ziemlich diabolische Idee eines Rechtsanwalts. Das ist ihm unbenommen, Rechtsanwälte dürfen wilde Behauptungen und Anträge formulieren. Aber das bislang sämtlich Instanzen der fürstlichen Justiz diese aberwitzige Konstruktion geschützt haben, das ist ein neuerlicher Justizskandal im Ländle. Die wenigen Rechtsanwälte sorgen nachhaltig dafür, dass die von allen Schwarzgeldern gereinigte weisse Weste des Finanzplatzes Liechtenstein immer wieder dunkelschwarze Spritzer und Flecken abkriegt.
Denn da der eigentliche Nutzniesser der Stiftung nun herausgekübelt ist, können die amtierenden Stiftungsräte – wenn ihnen das Ausplündern nicht genügt – fröhlich zum Dekantieren übergehen. Also zum Umgiessen des Inhalts der Stiftung in eine andere, die nur ihrem Zugriff unterliegt.
Sie haben sogar noch eine teuflischere Möglichkeit. Denn wie in einigen dieser Stiftungskonstruktionen vorgesehen, darf der Stiftungsrat selbstherrlich darüber bestimmen, wer der Begünstigte aus dem Stiftungsvermögen ist. Weiterhin der ehemalige Stiftungsrat – oder jemand anderes. Zum Beispiel ein Strohmann der Stiftungsräte, auf dass man sich die Beute teilt.
Finanzpiraten aus dem Ländle haben eine vermögende Immobilienstiftung geentert, gekapert und halten sich an der Sore schadlos. Gedeckt werden sie dabei durch eine mittelalterliche Unrechtsjustiz des Fürsten. Hier spielen kurze Amtswege, Klüngelbildung, Verbandelung und wohl auch Korruption eine entscheidende Rolle.
Mitten in Europa existiert weiterhin ein Fürstentum, in dem fundamentale rechtsstaatliche Prinzipien problemlos ausser Kraft gesetzt werden können und die Justiz Piraterie und Raubrittertum deckt. Eine ununterbrochene Reihe von Skandalen, versursacht durch eine winzig kleine Treuhänderbande, konterkariert die Bemühungen des Finanzplatzes Liechtenstein, sich ein sauberes Image zu geben. Seine Banken, darunter auch die fürstliche LGT, sind daran interessiert und missbilligen die Taten der Skandalzunft. Andererseits sind sie in vielen Fällen Nutzniesser, indem Stiftungsvermögen von ihnen verwaltet werden.
*Alle Namen sind der Redaktion bekannt, die auch Einsicht in alle Akten nehmen konnte.
Die Treuhänder W. und B. ziehen nicht nur die gesamte Stiftungsbranche, sondern den gesamten Finanzstandort Liechtenstein in den Schmutz. Sie sind die Totengräber des Ländles.
Was als von der Regierung im Ländle als „bedauerliche Einzelfälle“ bezeichnet wird, ist in Wirklichkeit, was die Regierung auch genau weiss, ein System in Liechtenstein. Jeder weiss es, Aber niemand spricht darüber. Bei der Mafia nennt man so etwas „Omertà“
Das ist ein Justizskandal, wie es ihn nur in Liechtenstein gibt. Und das wie sich jetzt zeigt, am laufenden Band. Was als „bedauerlicher Einzelfall“ dargestellt wird, ist in Wirklichkeit ein System in Liechtenstein. Ausländische Stiftungsräte werden mit vollkommen absurden Gerichtsentscheidungen aus Stiftungsräten abberufen und der oder die verbleibenden Lichtensteiner Stiftungsrat /-räte können die Stiftung völlig unkontrolliert dekantieren und sich völlig unkontrolliert bereichern. Ohne die Hilfe der Liechtensteiner Justiz wäre dies nicht möglich. Aber die spielt dieses Spiel mit. Und das nicht nur gelegentlich, sondern regelmässig.
Die Gerichtsentscheidungen Liechtensteinische Gerichte beruhen nicht auf Recht und Gesetz. Recht ist, was gut für Fürst und Volk ist.
Martin Batliner und Philipp Wanger haben mit dem gegen sie laufenden Aufsichtsverfahren u.a. wegen der Fr. 50‘000 bis 75‘üüü Honorare, welche sie sich aus der von ihnen übernommenen und jetzt von Ihnen vertretenen Stiftung monatlich pro Kopf gewähren, viel Staub in den Schweizer und Deutschen Medien aufgewirbelt. Das dürfte meiner Ansicht nach der Reputation des Finanzstandortes schweren Schaden zufügen.
https://www.abberufungsantrag-gegen-martin-batliner-und-philipp-wanger.com/
Bei dem aktuellen Justizskandal Hartlaub Immobilienstiftung wurde der langjährige ausländische Stiftungsrat innerhalb von zwei Monaten wegen des „blossen Anscheins einer möglichen Interessenkollision“ abberufen, die Abberufung aufgrund dieses Massstabs wurde vom Obergericht kurzum bestätigt. Der abberufene Stiftungsrat hat daraufhin gegen die derzeitigen Liechtensteiner Stiftungsräte Philipp Wanger und Martin Batliner einen Abberufungsantrag gestellt, u.a. weil sich diese monatlich zwischen 50’000 und 75’000 Franken Honorare pro Kopf genehmigen, über den das Gericht seit zwei Jahren noch nicht einmal in erster Instanz entschieden hat. Die Richterin will aber den Massstab „blosser Anschein einer möglichen Interessenskollision“ nicht anwenden. Auf die Frage, warum dieser Massstab gegenüber dem ausländischen Stiftungsrat galt, gegenüber den Liechtensteinischen Stiftungsräten nicht gelten soll, antwortete die Richterin wörtlich „man muss nicht alles verstehen“.
https://www.nzz.ch/wirtschaft/im-laendle-regiert-richter-kafka-ld.1782602