Wie klaut man einem Besitzer eines Immobilienimperiums sein Eigentum? Eine Moritat aus Liechtenstein

Im Ländle mitten in Europa herrscht noch das Mittelalter. Regiert ein Fürst in seiner Trutzburg selbstherrlich und absolutistisch. Er kann alle Beschlüsse des Parlaments umstossen, wenn es seiner Durchlaucht so beliebt.
Auch seine fürstliche Justiz hat ein eher abenteuerliches Verständnis von Rechtsstaatlichkeit. Die besten Voraussetzungen für die Liechtensteiner Räuberbanden, sich fremden Eigentums zu bemächtigen – und dabei fast immer straffrei auszugehen.
Ihre Methoden sind heute natürlich raffinierter als im Mittelalter. Damals erhoben die Raubritter einfach Wegzölle und pressten ihren Untertanen den Zehnten oder noch mehr ab. Legitimiert durchs Faustrecht, durch den Besitz von Schwert und Rüstung.
Die modernen Räuberbanden benützen stattdessen gerne den Computer und eine abenteuerliche Rechtsauslegung. Sie überfallen oder drangsalieren auch nicht mehr die eigene Bevölkerung, sondern Ortsfremde, die den Fehler machen, sich in ihre Fänge zu begeben.
Heutzutage wird auch kein Wegzoll mehr erhoben, sondern es werden Finanzkonstrukte ausgeraubt. Das geht ganz einfach. Nehmen wir an, Otto Müller möchte seinen weitverzweigten Besitz organisieren. Der ist über verschiedene Länder und Steuersysteme verteilt, zudem möchte Müller sicherstellen, dass seine zahlreiche und über die Welt verteilte Verwandtschaft dereinst in aller Ruhe Nutzniesser seiner Besitztümer werden kann, wenn er das irdische Jammertal verlassen haben wird.
Da bieten sich nun Konstruktionen auf kleinen karibischen oder pazifischen Inseln an, auch Panama, Singapur, London oder gleich die USA sind sichere Häfen. Aber Müller traut all denen nicht so recht über den Weg. Was ist das schon gegen die Sicherheit eines stabilen, zivilisierten, über Gewaltenteilung verfügenden Landes mitten in Europa?
Denn die Räuberbanden sind heutzutage natürlich nicht mehr in abgerissenen Kleidern, wilden Haartrachten und von Kämpfen vernarbten Gesichtern unterwegs. Sondern sie sind in feines Zwirn gekleidet, sitzen in behäbig-gutbürgerlichen Amtsstuben, haben die schmierige Verbindlichkeit, die einen Schweizer Finanzmenschen ganz allgemein auszeichnet. Sie lassen im Gespräch auch gerne den Krachlaut knallen, das gibt ihnen so etwas Heimeliges wie dem Bergöhi.
Sie tragen dunkle Anzüge und unauffällige Krawatten, strahlen Vertrauen und Seriosität aus, erwähnen auch gerne den «Fürscht», diesen lieben Landesvater, der wie alle seine Vorfahren nichts anderes als Recht, Ordnung und Gerechtigkeit für alle möchte. Hier sei das Geld so sicher wie hinter den dicken Mauern seiner Trutzburg aufbewahrt, sagt der verkleidete Räuber.
Sie fordern auch nicht gleich die Aushändigung aller irdischen Besitztümer, wenn jemand den Fehler macht, ihnen sein Hab und Gut anzuvertrauen. Sie schleppen es auch nicht in eine Räuberhöhle, sondern errichten mit wichtiger Miene eine Stiftung dafür. Dieses Papier wird dann abgestempelt, mit hochtrabenden Worten verkündet, und der Stifter zieht wohlgemut von dannen, weil er seinen Besitz sicher verwahrt meint.
Aber dann geht die Stiftung stiften. Reicht der sie verwaltenden Räuberbande nicht die jährlich erhobene Grundgebühr fürs Nichtstun, bringt sie angeblich wichtige Verrichtungen in Anschlag, die alle etwas gemeinsam haben: sie kosten ein Heidengeld. Sollte der Stifter darauf unfreundlich reagieren und nicht einsehen, dass auch Räuber von etwas leben müssen, werden sie richtig rabiat.
Sie entleeren einfach die Geldschatulle namens Stiftung und schleppen die Sore in eine andere Räuberhöhle, von deren Existenz nur sie wissen. Will nun der Stifter und Eigentümer Auskunft über seinen Besitz oder ihn gar behändigen, dann macht der Räuber ein ganz betrübtes Gesicht. Denn er muss seinem Opfer nun mitteilen, dass sich in der Geldschatulle leider kein einziger Rappen mehr befindet, blöd aber auch. Wohin denn alles verschwunden sei? Da legt der Räuber die Hand aufs Herz und sagt mit treuem Augenaufschlag: leider hindert mich meine Räuberehre, meine Pflicht zur Geheimhaltung daran, Ihnen das mitzuteilen.
Macht nun der Stifter den Fehler, sich der fürstlichen Justiz anheim zu geben, erlebt er sein zweites blaues Wunder. Da er von jeglichen Papierspuren des Verschwindens seines Geldes abgeschnitten ist, sagt die Staatsanwaltschaft des Räuberländle, dass sie leider ohne irgend ein Dokument keinen Anfangsverdacht fasse, dass hier etwas nicht mit rechten Dingen zugegangen sei. Kein Geld mehr auf dem Stftungskonto? Je nun, das könnte ja auch der Stifter selbst abgehoben haben, nicht wahr. Und ohne Anfangsverdacht gibt es keine Strafuntersuchung, schönen Tag noch.
Ganz verzweifelte Opfer versuchen dann noch, ein fürstliches Gericht dazu zu bewegen, der fürstlichen Staatsanwaltschaft Beine zu machen. Das freut wieder die Räuberbande im Ländle, denn nun kann sie für die dazu nötigen Handreichungen und für das wichtige Amtieren des Gerichts noch weitere Kohle aus dem Opfer herauspressen. Geht das den ganzen Instanzenweg bis zum fürstlichen Staatsgericht, ist es eine hübsche Stange Geld los. Natürlich käme die fürstliche Justiz nie auf die Idee, das Handeln der Räuberbanden zu bestrafen.
Denn das steht doch in der guten, alten Tradition des Raubrittertums, und Traditionen müssen respektiert werden. Sie passen sich einfach dem Wandel der Zeiten an. Was früher Schwert und Rüstung war, ist heute Papier und Stempel. Wurde früher drohend das Schwert gezückt, tut’s heute der Paragraph. Galt früher das Faustrecht und das Recht des Stärkeren, ist’s heute die fürstliche Willkürjustiz.
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